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“Seven Palms” (2018) Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades

Seven Palms
Autor: Francis Nenik
Fotograf: Sebastian Stumpf
Spector Books
1. Auflage, Leipzig 2018
gebunden, 320 Seiten, 40 Abb.
Größe: 18,1 x 23,1 cm
ISBN-13: 9783959051804
auch in englischer Sprache erhältlich

Das Buch mit Fotos und Texten ist dem Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades in Los Angeles gewidmet. Francis Neniks Essay liefert eine detaillierte Beschreibung der Geschichte des Hauses, in dem Thomas Mann während seiner Exilzeit in den USA von 1942 bis 1952 mit seiner Familie lebte. Nenik stützt sich auf umfangreiche Archivrecherchen und erzählt nicht nur Episoden aus der Familie, sondern das Leben stellt auch Figuren vor, die bisher weitgehend unbekannt waren – die Menschen, die das Haus gebaut und darin gearbeitet haben. Ihre teilweise sehr bunten Erfahrungen bilden das Panorama, vor dem sich die Geschichte des Hauses entfaltet.

Die Reihe der Fotos von Sebastian Stumpf bilden einerseits einen Kontrapunkt, sind aber andererseits abwechslungsreiche Ergänzung zur Erzählung. Im Januar 2017 erhielt er Zugang zu der kürzlich von der deutschen Regierung erworbenen leer stehenden und wiedereröffneten Immobilie und nahm sie in einer Reihe von unverwechselbaren Bildern in ihrem baulichen Zwischenzustand auf. Sie zeigen ein verlassenes Haus, das sich verwandelt hat und obsolet geworden ist. Es lässt kaum die Vermutung aufkommen, dass die Familie Mann einst dort gelebt haben soll.

Am Bindestrich gehen, so bezeichnet Francis Nenik sein Inhaltsverzeichnis in “Seven Palms”, ein Buch über San Remo Drive 1550 auch Thomas-Mann-Haus genannt. Das erste Kapitel unternimmt gleich eine Roomtour. Doch nicht bevor ein mysteriöser Hinweis erscheint: wenn Sie Action wollen, dann lesen sie auf Seite 45 weiter. Nach dem ersten Anfang sind Dienstmädchenzimmer und Küche beschrieben. Dann wurde ein doppelseitiges Farbfoto auf Kunstdruck eingeflochten. Das Papier verfügt über einen helleren Ton als nachfolgende Druckseiten sonst. Erkennbar ist eine Ansicht der Hausfassade, die hinter Bäumen und Sträuchern versteckt ist. Die Sonne steht tief, so dass sie schon Färbung hat und ihr Licht sich auf der hellen Fassade entsprechend widerspiegelt.

Der Waschraum folgt, nicht weniger bedeutend, obwohl dieser von Thomas Mann unerwähnt geblieben ist. Eine Umschreibung dessen, was ein Beobachter auf einem Durchgang mitnehmen kann. Erzählt uns eine Geschichte über sich und das Haus um ein vieles mehr, als dass es nur Bestandaufnahme wäre. Speisekammern tauchen dann wieder häufiger in den Erzählungen bei Thomas Mann auf. Schließlich führt der Weg in Richtung der Wohnräume. Das mit der Speisekammer verbundene Esszimmer ist der erste Wohnraum. Sein Kennzeichen ist der Eichenholzfußboden. Nur ein Abschnitt weiter eröffnet sich das Wohnzimmer. Der Aufenthaltsraum der Familie Mann also. Das entspricht dann auch wieder einer regulären Aufzählung, was an Räumen vorhanden ist – gefolgt von Farbfotos. Diesmal eine große hochkant gestellte Palme, die Erhaben und im gleichen Dämmerungslicht wie zuvor erscheint.

Durchgang, Arbeitszimmer, ein Raum folgt auf den anderen. Über einen Durchgang zieht sich der Weg bis ins Arbeitszimmer hinein, dem Hauptort des schriftstellerischen Schaffens. Damit endet die Reihe der Wohnräume auch schon. Als nächstes ist der Heizraum Bestandteil der Erwähnungen, etwas ungewöhnlich, da es sich um einen Technikraum handelt. Warum soll dieser erwähnt werden? Die Ganzheit zum Verständnis des Hauses benötigt solcherlei Ausführungen, was selbst im klimatisierten Kalifornien notwendig erscheint. Auch hierzu folgt eine Erklärung des Autors von “Seven Palms”, jedoch ohne die Sinnfrage zu stellen, die das Haus als Thomas-Mann-Haus zurückgewinnen soll. Diese Reduzierung auf das leere Haus wurde in der Einleitung ja bereits als Vorbedingung beim Lesen des Buches angekündigt. Stattdessen bestimmt eine kritische Bemerkung den Handlungsablauf, indem es heißt, die Heizung im Heizungsraum könne ja störanfällig sein. Doch diese Aussage hilft auch nicht über die Problematik hinweg. Denn Familie Mann ist nicht mehr vor Ort, das steht fest. Diese Familie ist Vergangenheit in San Remo. Auf die zukünftige Nutzung nach einer Renovierung aber wird in “Seven Palms” keinerlei Bezug genommen.

Insgesamt gestalten sich die Räumlichkeiten umfangreich, dem Ganzen hängt der Hauch des Großbürgerlichen an. Ankleideraum, verschiedene Bäder und Gästezimmer kommen vor. Ein erstes Innenraumfoto in gefärbtem Licht mit Eichenholzfußboden verstärkt das Suggestive. Ein leerer Raum mit Durchgang ohne Tür hinaus auf den Flur und zu den anderen Zimmern ist auf dem Foto zu erkennen. Statt einer technischen Zeichnung in Form eines Grundrisses, was fehlt, wurde ein “visuelles Gedicht” eingefügt, welches in Form einer Treppe daherkommt. Das ist putzig!

Im zweiten Kapitel tauchen sogenannte Namenlose auf. Doch vielmehr steht eine faustdicke Begegnung mit Friedrich Schiller dahinter. Die fiktive Figur hält sich eine Weile, eine Begegnung mit ihr und Thomas Mann zeichnet sich ab im amerikanischen Exil. Im Kapitel vermischen sich Fiktion mit Tagebuchaufzeichnungen Thomas Manns. Autor Francis Nenik berichtet über Lesungen und Vorträge ohne jedoch näher darauf einzugehen. Ein Foto und noch ein Farbfoto vom Haus dienen auch als Teilung des Textes und bieten abwechslungsreiche Pointe während der Erschließung des Gebäudes.

Dann wieder der Versuch Bezug zu nehmen auf die Inneneinrichtung des Hauses, Paul und Marianne Huldschinsky. Paul Huldschinsky (1889 – 1947) war ein deutsch-jüdischer Architekt und Bühnenbildner. Nach seiner Inhaftierung im Konzentrationslager Sachsenhausen 1938 floh er 1939 aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Kalifornien. Für den Film “Gaslight” erhielt er einen Oscar in der Kategorie Best Art Direction.

Mit Kapitel 5 wird Thomas Mann auf Paul László aufmerksam. Der war ein ungarisch-amerikanischer Architekt und Innenarchitekt und gilt als eine Größe unter den Möbeldesignern, Innenarchitekten, und Architekten des 20. Jahrhunderts. László hat sich seinen Ruf als Architekt durch das Entwerfen von Innenausstattung für Häuser erworben. Dann traf Thomas Mann mit Julius Ralph Davidson zusammen. Der wiederum war Architekt aus Deutschland, der ab 1923 in den USA tätig war. Er gilt als Erbauer des Hauses in Pacific Palisades. An anderer Stelle klingelte der Architekt Richard Neutra bei den Leuten, um sich Klarsicht zu verschaffen.

Im Kapitel “Bilder von Kalifornien” folgt endlich die Grundsteinlegung. Es gibt also ein Vorher und ein Nachher, um den zeitlichen Rahmen abzustecken, der hier besprochen werden soll. “Seven Palms” erreicht auf diesem Wege den Hauptteil seines Inhalts. Die Dynamik des Exils entfaltet sich. Erzählerisch verlieren sich die Momente, einer nach dem anderen. Immer wieder ist auch die Rede von Katja Mann als Ehefrau des Schriftstellers.

Gegen Schluss eine Anmerkung über das Wetter, wie sich das Klima verändert. Über das Wetter von damals wird berichtet und Schlüsse daraus gezogen. Nicht unbedingt um damit Bezug auf die Gegenwart zu nehmen, sondern als ironische Untermalung will die Andeutung Wirkung finden. “Seven Palms” endet 1951 mit der Überfahrt Thomas Manns nach Europa. Das Grundstück in San Remo wurde schon bald veräußert, wie aus den Grundbuchakten von L.A. zu recherchieren war.

Eine Buchrezension von Kulturexpress

 

 

Siehe auch: Zur Eröffnung des Thomas Mann Hauses im kalifornischen Pacific Palisades

Siehe auch: Berthold Leibinger Stiftung fördert Realisierung Thomas Mann House

 

Letzte Änderung am Montag, 26 Februar 2024 21:47
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Bucheinband: Spector Verlag
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